Karin Scheele, Landesrätin der Regionalregierung von Niederösterreich, fordert die österreichische Bundesregierung auf, die Menschenrechte über die Handelsinteressen mit Marokko zu stellen. \"Die EU wird ihren eigenen Prinzipien nicht gerecht\", meint Frau Scheele.
Karin Scheele, Landesrätin der Regionalregierung von Niederösterreich, fordert die österreichische Bundesregierung auf, die Menschenrechte über die Handelsinteressen mit Marokko zu stellen. "Die EU wird ihren eigenen Prinzipien nicht gerecht", meint Frau Scheele.
Presseaussendung22 Nov 2010
Wien (OTS) - Morgen Dienstag findet in Wien ein Außenwirtschaftsforum zum Thema "Partnerschaft mit Marokko bietet Geschäftsmöglichkeiten und Standortvorteile", statt. Veranstaltet von der Wirtschaftskammer Österreich gemeinsam mit der Botschaft des Königreichs Marokko, stehen bei diesem Treffen Vorträge von marokkanischen Wirtschaftsvertretern auf dem Programm.
Angesichts der jüngsten Menschenrechtsverletzungen fordert die Vorsitzende der Österreichisch-Saharauischen Gesellschaft, NÖ Soziallandesrätin Karin Scheele, klare Worte der Wirtschaftskammer gegen Marokkos Westsahara-Politik: "Seit 1975 hält Marokko die Westsahara völkerrechtswidrig besetzt und beutet das an Rohstoffen reiche Land wirtschaftlich aus. Die saharauische Bevölkerung bekommt vom Ertrag ihres Landes nichts, sie werden unterdrückt und verfolgt, ein großer Teil lebt in Flüchtlingslagern in der Wüste. Ich erwarte, dass die Österreichische Wirtschaftskammer ihre eigenen festgesetzten Grundsätze im Bezug auf Menschenrechte und dem Fairness-Abkommen im Handel mit Waren und Dienstleistungen ernst nimmt. Präsident Leitl und Vizepräsident Schenz, der die Veranstaltung auch eröffnen wird, haben gerade jetzt, wo die Situation in der Westsahara wieder eskaliert, eine moralische Verpflichtung diese koloniale Unterdrückung und deren Wirtschaftspolitik zu verurteilen. Erst vor zwei Wochen wurde von Marokko der seit 1991 aufrechte Waffenstillstand mit der saharauischen Unabhängigkeitsbewegung gebrochen. "
Ein Protestcamp mit rund 20.000 friedlichen Demonstranten wurde zuerst von Lebensmitteln und Medikamenten abgeschnitten, schließlich gestürmt und niedergebrannt. Viele Menschen liegen in Spitälern oder werden vermisst, nach und nach werden die Leichen geborgen.
Landesrätin Scheele: "Das alles passiert vor unseren Augen, vor den Toren Europas. Die UNO registriert die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und schaut tatenlos zu, ja hat nicht einmal ein Mandat zur Beobachtung der Menschenrechtslage. Die Österreichisch-Saharauische Gesellschaft, die Gemeinnützige Entwicklungszusammenarbeit GmbH und zahlreiche andere NGOs bemühen sich um eine solche Ausweitung des UNO-Mandats und die österreichische Wirtschaft bietet marokkanischen Vertretern ein Forum zur Lobpreisung ihrer Wirtschaft. Das ist ein denkbar falsches Signal zu einem ganz falschen Zeitpunkt."
Im Einladungstext auf der Homepage der Wirtschaftskammer werden das Wirtschaftswachstum Marokkos und die privilegierte Partnerschaft mit der Europäischen Union hervor gestrichen. Dazu Karin Scheele: "Das Wirtschaftswachstum verdankt Marokko nicht zuletzt den enormen Phosphat-Vorkommen in den besetzten Gebieten der Westsahara, dankbare Abnehmer findet Marokko in vielen europäischen Ländern und der USA. Dafür wird dann schon einmal ein Auge bei den Menschenrechten zugedrückt und Entscheidungen des UNO-Sicherheitsrates blockiert. Auch die EU wird ihren eigenen Grundsätzen nicht gerecht. Ein Fischereiabkommen mit Marokko ermöglicht es europäischen Fangflotten, in den Gewässern vor der besetzten Westsahara zu fischen. Die EU zahlt dafür insgesamt 144 Millionen Euro. Im Februar nächsten Jahres steht eine Verlängerung dieses von zahlreichen namhaften Rechtsexperten und nicht zuletzt vom juristischen Dienst des europäischen Parlaments als rechtswidrig eingestuften Abkommens an."
Abschließend appelliert Scheele noch einmal an die beiden Vertreter der Wirtschaftskammer: "35 Jahre nach der Besetzung der Westsahara ist es nun an der Zeit zu demonstrieren, dass die Grundprinzipien des Rechts für alle gelten und dass die bis heute friedlich auf ihr Selbstbestimmungsrecht wartenden Saharauis zu Recht Vertrauen in die internationale Staatengemeinschaft gesetzt haben."
Rückfragehinweis: Österreichisch-Saharauische Gesellschaft Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten Christoph Ertl Tel.: 0664/ 10 34 340 christoph.ertl@reflex.at